23 Mai Die Welt von Carpet
Machen Carpet Rockmusik ? Die Frage stellt sich wirklich nur kurz dem Unaufmerksamen. Denn diese Band hat es geschafft ! Sie verbindet Alles und Nichts mit diesem Begriff. Die klassische Besetzung nutzen Carpet als Mittel zum Zweck, um sich vollkommen frei im Genre zu bewegen. Ich sitze auf der Couch im Proberaum/Studio und lasse mir von Jakob und Maximilian erklären, wohin die Reise geht.

Interview Tom / Fotos 2teNaturManufaktur, Bruno Tenschert, Manuel Nieberle
Tom: Seid ihr musikalisch so frei als Band, wie ich das zumindest scheinbar raushöre?
Selbstverständlich bewegen wir uns immer in verschiedenen Bereichen der Rockmusik, aber wir sehen das Genre nicht als Einschränkung. Ehrlich gesagt denken wir darüber auch nicht nach; das passiert einfach. Teilweise benennen wir einzelne Songs bevor wir Titel haben als „Reggae-Song“, „Blues-Song“ oder „Disney-Song“. Der Grundtenor ist aber immer der einer Rockband, also passt das dann doch vielleicht alles zusammen, irgendwie.
Tom: Enstehen eure Songs als Band oder kommt da einer mit dem fertigen Notenblatt?
Grundsätzlich kann beides passieren. Die Songideen stammen meistens von Max und liegen dann in einer Demoform vor. Allerdings in unterschiedlichen Ausarbeitungsstufen. Manchmal sind es nur Skizzen, manchmal ganze Songs. Das Arrangement passiert dann immer im Bandkontext. Es gibt aber auch Songs, die komplett durch das gemeinsam Spielen entstanden sind.
Tom: Am Ende sogar demokratisch?
Immer demokratisch. Manchmal zu demokratisch.
Tom: Steht am Anfang eines Songs die endlose Band-Jam?
Es gibt meistens schon Ideen, die dann bis in die Unendlichkeit im Loop gespielt werden, damit jeder Instrumentalist seinen Part findet und ausarbeiten kann. Diese Ideen werden dann zum Teil verknüpft mit neuen Ideen, die mal durch das gemeinsame Spielen entstehen und mal in Eigenregie ausgearbeitet wurden. Deshalb ist das stetige Aufnehmen von Demos sehr nützlich.
Tom: Sind die Songs bereits im Kopf mit einem fertigen Soundbild verknüpft, oder muss ein Song ohne Band auf der Akustik-Gitarre bestehen?
Kann man nicht genau sagen, das ist von Song zu Song verschieden. Es ist jedoch oft so, dass das Soundbild in einem gewissen Prozess entsteht und sich mit dem Song entwickelt. Zunächst im gemeinsamen Spiel, später dann beim Aufnehmen.
Tom: Euer Band-Proberaum ist euer Studio. Für euer neues Album durfte ich dort die Band-Aufnahme Sessions begleiten. Mir schien das wie ein klassischer Studioaufenthalt. Fertig arrangierte Songs wurden bestens geprobt direkt als Band eingespielt. Eine Aufnahme-Art, die ein höchstes Maß an Organisiertheit und Disziplin erfordert. Das hat mich schwer beeindruckt. Ich denke gerade wegen eurer „perfekten“ Studio/Proberaum-Situation liegt doch sicher die Versuchung nahe, jede noch so kleine, lose Idee sofort mitzuschneiden, um sich dann in den gesammelten Ideen eines Jahres zu verlieren.
Ich denke, da hat jeder von uns genug Erfahrung mit früheren Bands, um zu verhindern, dass man sich in der Songwriting-Phase verhaspelt. Teilweise haben wir einfach nicht genügend Zeit, um jede Idee festzuhalten. Da muss oft vorher schon ein Plan ausgearbeitet werden, bevor man Demos als Band aufnimmt. Vermeintlich gute Ideen nehmen wir aber immer in irgendeiner Form auf. Eine wirklich gute Idee setzt sich dann immer irgendwie von selbst durch.
Tom: Wie beeinflusst die „perfekte“ Arbeitssituation das Song-Schreiben?
Überhaupt gar nicht. Songs kann man auch in einem Kellerverlies mit einer kaputten Akustikgitarre und einem Kassettenrekorder schreiben. Die Ausarbeitung ist in einer guten Arbeitssituation allerdings einfacher, da man sich weniger mit Unzulänglichkeiten beschäftigen muss und das Zusammenspiel der einzelnen Stimmen und Instrumente besser beurteilbar ist.
Tom: Wie sind Song-Schreiben und Aufnahmen verwoben?
Ich (Max) schreibe Songs oft während der Aufnahme des Demos. Da kommt dann ein neues Instrument dazu, das die Komposition beeinflusst. Beim mehrfachen Gegenhören einer Aufnahme können Songteile nochmal verworfen werden und auch neue Ideen entstehen, weil man das Ganze dann auch mal von außen betrachten kann, als Hörer.
Welches Recording-Szenario bevorzugt ihr:
Live als Band, einzelne Schichtaufnahme per Overdubs?
Müsste man eigentlich von Song zu Song entscheiden. Das Liveaufnehmen sorgt innerhalb der Band nunmal für mehr Energie. Wie eine gemeinsame Unternehmung, ein Ausflug ins Schullandheim. Das macht sehr viel Spaß und ist bei vielen Songs sehr hilfreich, aber nicht immer notwendig. Die Schichtaufnahme bietet manchmal viel zu viel Spielraum für Soundspielereien; da kann man sich z.B. bei Schlagzeugaufnahmen ewig in zahllose Varianten eines bestimmten Fills hineinsteigern. Solche Details sind manchmal gar nicht so wichtig.
Tom: Sehr viele Bands nutzen für ihre Live-Konzerte technische Sicherheiten um auf der Bühne perfekten Sound und (ich benutze das Scheiß-Wort bewusst) „Performance“ abzuliefern.
Das tolle an einer Liveband ist, dass sie auch live spielt. Einen Laptop auf der Bühne versuchen wir immer zu vermeiden. Das merken wir besonders als Zuhörer bei Livekonzerten, bei denen einzelne Sounds nicht mehr den Instrumentalisten zuzuordnen sind. Vor allem als Musiker möchte man den Ursprung jeden Sounds nachvollziehen und wird dann oft enttäuscht.
Tom: Nun bieten sich, gerade bei dem Stellenwert, den ihr dem Sound gegenüber dem Song gebt, für ein Carpet-Konzert doch schöne moderne Möglichkeiten. Vibraphon-Samples, perfekter Harmoniegesang aus dem Sequenzer…In-iiiiEar-Monitoring. Verführerisch, oder?
Wir haben nie den Anspruch live exakt so zu klingen wie auf Platte. Das macht ja auch gar keinen Sinn, weil es sich um zwei sehr unterschiedliche Situationen handelt. Wenn ich zu Hause im Wohnzimmer Musik höre, habe ich eine ganz andere Erwartungshaltung und ganz andere Hörgewohnheiten als bei einem Livekonzert. Konzerte sind immer ein besonderes Erlebnis und es herrscht eine unvergleichliche Atmosphäre. Dabei macht es sowohl den Musikern als auch dem Publikum doch besonders viel Spaß, wenn es Überraschungen gibt und die Songs beim Livekonzert ein Eigenleben entwickeln.
Tom: Danke, denn ich mache kein Geheimnis daraus, wie sehr mich die Vorhersehbarkeit langweilt die entsteht, wenn Musik auf der Bühne zur „Produktion“ verkommt. Da ist nix gefährlich….
Wir versuchen immer auch Parts in ein Konzert einzubauen, die frei bleiben und bei jedem Auftritt anders sein können. Das passiert dann genau in diesem Moment und ist für uns Musiker immer aufregend und herausfordernd. Für den Konzertbesucher ist das dann etwas Einzigartiges. Für uns birgt das immer ein wenig Risiko aber wenn es gut läuft, dann schafft das eine Atmosphäre, die man nur bei einem Konzert erleben kann – sowohl als Musiker als auch als Zuhörer.
Tom: Nun weiß ich immer noch noch nicht, ob Carpet Rockmusik machen und das bleibt hoffentlich für immer so!
Wir wissen es auch nicht. Wir machen ja nur.
Danke für den Einblick in die Welt von Carpet.
